Gutes Miteinander im Kleinen, nicht jedoch im Großen

Repräsentative Studie zur ARD-Themenwoche "Wir gesucht" im Auftrag des SWR

Gutes Miteinander im Kleinen, nicht jedoch im Großen

Gesellschaftliche Konflikte, Spannungen und mögliche Spaltungen stehen nicht zuletzt in Zeiten multipler Krisen im Zentrum öffentlicher Debatten. Der Blick der Bevölkerung auf die bestehenden Verhältnisse in Deutschland fällt je nach Blickwinkel allerdings unterschiedlich aus. So nehmen die Menschen in ihrem privaten Umfeld und ihren Netzwerken durchaus einen weiterhin starken Zusammenhalt wahr. Sowohl in der eigenen Familie (91 Prozent), im Bekannten- und Freundeskreis (92 Prozent) wie auch am Wohnort (70 Prozent) wird mehrheitlich von einem guten Miteinander berichtet. Möglichkeiten einer verstärkten Mitgestaltung vor Ort werden zugleich von mehr als der Hälfte (57 Prozent) als Chance für ein nochmals besseres Miteinander in Gemeinde, Stadt und Wohnort gesehen.  

Das Urteil der Deutschen zum „großen Ganzen“ fällt dagegen umso nüchterner aus. Zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger (64 Prozent) finden, dass es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland eher schlecht bestellt ist, lediglich ein Drittel (33 Prozent) gelangt zu einer positiven Bewertung. Zugleich sind aus Sicht etwa jedes Zweiten (49 Prozent) die Entwicklungen der letzten Monate für den Zusammenhalt in Deutschland eher nicht förderlich gewesen. Sie nehmen wahr, dass sich der Zusammenhalt seit Antritt der Berliner Ampel-Koalition vor knapp einem Jahr eher verschlechtert hat. Vier von zehn (43 Prozent) machen für diesen Zeitraum keine Veränderung aus, kaum jemand (4 Prozent) hat das Gefühl eines positiven Wandels seit dem Regierungswechsel Ende letzten Jahres.

Eine mehrheitlich kritische Sicht auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland zieht sich so gut wie durch alle Bevölkerungsgruppen. Sie findet sich aber in Ostdeutschland (74 Prozent), unter Jüngeren (73 Prozent), Personen mit einfacher Schulbildung (69 Prozent) sowie Beziehern geringerer Haushaltseinkommen (72 Prozent) nochmals häufiger als anderswo. Mit Blick auf die verschiedenen Wählermilieus stechen zudem die Urteile von Linken- und AfD-Anhängern heraus. Sie vergeben für den Zusammenhalt in Deutschland besonders kritische Noten (Linke: 90 Prozent; AfD: 87 Prozent). Anders die Wähler der Grünen, von denen zumindest jeder Zweite (52 Prozent) zu einer wohlwollenden Bewertung der bestehenden Verhältnisse gelangt.

Konfliktpotenziale: Soziale Frage, Corona und Zuwanderung

Aktuelle Herausforderungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sehen die Deutschen viele. Entgegen zahlreichen Diskussionen der vergangenen Jahre markieren das Verhältnis zwischen West- und Ostdeutschen, zwischen Stadt und Land oder Jungen und Alten aus Sicht der Bundesbürger dabei keineswegs die aktuell zentralen Spannungslinien. Hier vermögen jeweils etwa vier von zehn sehr große oder große Konflikte zu erkennen. Als weitaus bedeutsamer wird von den Deutschen dagegen die Spaltung zwischen Arm und Reich eingeschätzt. Drei Viertel (76 Prozent) halten dieses Konfliktpotential für sehr groß oder groß. Nicht minder groß ist aus Sicht der Bundesbürger nach fast drei Jahren Pandemie die Konfliktstärke zwischen Befürwortern und Gegnern von Corona-Maßnahmen (72 Prozent). Wahrgenommene Spannungen zwischen Einheimischen und Zugewanderten folgen mit 62 Prozent gegenwärtig an dritter Stelle.

Die repräsentative Studie wurde für den SWR im Rahmen der ARD-Themenwoche "Wir gesucht - Was hält uns zusammen" erstellt und behandelt noch folgende Themen:

  • Große Sorgen vor inflationsbedingten Unruhen und Kriegsbeteiligung
  • Vereine, Kultur- und Freizeiteinrichtungen als Produktionsstätten gesellschaftlichen Zusammenhalts
  • Kritische Sicht auf Internet und Social Media
  • Defizite in der Debattenkultur
Studieninformation
Grundgesamtheit

Wahlberechtigte in Deutschland

Erhebungsmethode

Zufallsbasierte Telefon- (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk) und Online-Befragung

Fallzahl

1.211 Befragte
(773 Telefoninterviews und 437 Online-Interviews)

Erhebungszeitraum

25. bis 26. Oktober 2022

Schwankungsbreite

2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent

© infratest dimap